17 November 2006

Freitag

Momentan befinde ich mich in der elften Stunde meiner Schicht und es sind nur noch wenige Gäste da. Direkt am Tresen stehen noch zwei Gläser von Gästen die gerade gegangen sind und ich wische mit einem feuchten Lappe kurz über das Holz. Gerade als sie die Bar verlassen öffnet sich die Tür und sie drücken sich an einer hereinkommenden Person vorbei.

Einen Mann wie ihn sieht man nicht oft hier. Nach hinten gekämmte Haare, ein überaus gepflegtes Äußeres und ein Anzug der so teuer aussieht, wie ein gebrauchter Kleinwagen. In einer Hand hält der Fremde einen Aktenkoffer aus schwarzem Leder. Wie gesagt, solche Personen kommen nicht oft her. Abgesehen von einer Gruppe Banker die einmal die Woche herkommen um sich ordentlich zu betrinken, sind Schlipsträger hier die Ausnahme.

Mit kurzen Schritten kommt er an die Theke, legt seinen Koffer auf einem Hocker neben sich ab, und nimmt Platz.

"Ich suche den Inhaber dieser..." Er sieht sich um und rümpft die Nase ein wenig. "... Lokalität."

"Der steht vor ihnen. Kann ich ihnen helfen?"

"In der Tat." Der Mann öffnet seinen Koffer und ich kann einen kurzen Blick auf einige Papiere erhaschen. "Mein Name ist Alexander Petrovska, ich arbeite für die "Uni Rail" Company."

"Uni Rail" ist eine, inzwischen, weltweit arbeitende Firma für Eisenbahnnetzwerke. Sie haben als kleine Firma in China angefangen und sich langsam aber sicher über die ganze Welt ausgebreitet. Inzwischen haben sie unzählige private Firmen auf ihrem Territorium einfach geschluckt. Wenn sich die Firmen nicht haben kaufen lassen, wurden sie, einfach gesagt, ausgelöscht. Immerhin verloren die gekauften Firmen keine Arbeitsplätze.

"Wie sie sicherlich wissen planen wir auch hier in dieser Stadt eine Strecke für einen unserer neuen Hochgeschwindigkeitszüge zu bauen."

"Und was kann ich in dieser Angelegenheit für sie tun?"

"Nun... ihr Etablissement steht bedauerlicherweise der geplanten Route im Weg."

"Aha..." Mich auf meine Oberarme stützend lehne ich mich auf den Tresen. "Ich glaube ich ahne was sie von mir wollen."

"Wir haben bereits alle anderen Grundstücke die für die Strecke notwendig sind kaufen können... ihres ist das Letzte das fehlt."

"Tja... tut mir leid ihnen das sagen zu müssen, aber ich hege keinen einzigen Gedanken meinen Laden zu verkaufen."

"Unser Angebot wäre mehr als großzügig..."

Mit einer Hand schiebt er einen kleinen Zettel zu, den er zuvor beschriftet hat. Auf ihm steht eine sechsstellige Summe... eine sechsstellige Summe, mit der ich mich zur Ruhe setzen könnte, wenn ich das Geld nicht mit vollen Händen herauswerfe.

"Danke... aber nein danke."

"Hören sie." Der Mann lachte kurz. "Ich glaube sie wissen nicht, wem sie es zu tun haben. Wir stellen sie vor diese freundliche Abfindung für dieses... Dreckloch. Wir könnten auch einfach zur Stadt gehen und das Grundstück durch eine wesentlich niedrigere Bestechungssumme in unseren Besitz bringen."

"Nein das könnten sie nicht.", entgegne ich.

"Wären sie auch so freundlich mir zu erklären wieso?"

"Ganz einfach. Dieses Grundstück gehört mir... nicht der Stadt."

"Ihnen mag die Kneipe hier gehören, aber mit das Gebäude in dem sie sich befindet steht auf städtischem Grund."

"Nein tut sie nicht." Ein immer breiter werdendes Grinsen ziert mein Gesicht. "Dieses Grundstück befindet sich in MEINEM Besitz... um genau zu sein ist es seit sechs Generationen in Familienbesitz. Zu der Zeit als es von meinem Vorfahren gekauft wurde, gab es noch die Möglichkeit das Grundstück zu kaufen. Heut zu Tage lässt die Stadt das nicht mehr zu, aber damals war das anders. Ich bin mir sicher sie sind sich bewusst das sie rechtlich gegen mein... Dreckloch, nur einen feuchten Dreck tun können."

Ich sehe die Farbe und die Zuversicht aus dem Gesicht des Mannes weichen und kann nicht umhin, mich innerlich befriedigt zu fühlen. Das Schönste an dieser Geschichte ist, dass es nicht mal gelogen ist. Das Grundstück gehört mir, genau wie die Kneipe - beides ist ein Erbe meines Vaters, welcher es wiederum von seinem Vater geerbt hat und so weiter und so fort...

Der Vertreter von "Uni Rail" klappt seinen Koffer mit einer rauen Bewegung zu. Wieder rümpft er seine Nase kurz, verabschiedet sich mit einem kurzen Winken mit Zeige- und Mittelfinger, und verlässt daraufhin meine Bar mit genauso kleinen Schritten wie er sie betreten hat.

Ich befinde mich in der elften Stunde meiner Schicht und es sind nur noch wenige Gäste da. Direkt am Tresen stehe ich allein mit einem Papier vor mir, auf dem eine sechsstellige Zahl geschrieben steht. Ich nehme den Zettel, betrachte ihn noch ein letzte Mal, lache kurz leise und werfe ihn dann in den Papierkorb.

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