18 November 2006

Samstag

Momentan befinde ich mich in der elften Stunde meiner Schicht und die Bar ist voll. Direkt am Tresen sind alle Barhocker besetzt und nahezu alle Blick in der Kneipe sind auf den vergleichsweise großen Fernseher gerichtet.

Kein Wunder. Es ist Samstag, es ist Abend, und ein Footballspiel wird übertragen. Die weltweite Liga geht langsam in die heiße Phase, es ist eines der Viertelfinalspiele. Hauptsächlich ist meine Bar also auch mit Leuten gefüllt, die sich in der Farbe eines Landes bemalt haben, Schals oder Trikots tragen und mit kleinen Fahnen jubelnd hin und her wedeln. Es ist einer der wenigen Tage für die ich mir Aushilfskräfte engagiert habe. Zwei Kellnerinnen und zwei Türsteher, die aber eigentlich viel mehr als Aufpasser fungieren. Wenn die Fans hier aneinander geraten sollten, und das kann bei so einem Spiel und unter Alkohol stehenden Menschen leicht passieren, habe ich hier die schönste Massenschlägerei meines Lebens im Gange und darauf kann ich verzichten. Sowohl die jungen Damen die kellnern, als auch die zwei Herren die potentielle Unruhestifter aus der Bar schaffen werden, habe ich für ihre Zwecke schon des öfteren eingestellt. Es wäre übertrieben zu sagen das ich sie kenne, aber es ist mir lieber bekannte Gesichter dafür einzustellen, von denen ich auch weiß das sie zuverlässig arbeiten.

"Noch ein Bier!", bestellt jemand der direkt neben mir steht.

Ich wende meinen Blick vom Bildschirm ab, befülle das Glas, kassiere und verfolge dann wieder selbst das Spiel. Football ist nun wirklich nicht mein Lieblingssport, aber wenn es um ein derartig großes Event geht, schaue ich natürlich auch zu. Es spielen die USA gegen Russland.

Im Moment ist das Spiel ausgeglichen. Vom Punktestand her stehen die Teams beinahe gleich und es sind noch zehn Minuten zu spielen. Genau wie viele andere konnte auch nicht umhin, eine kleine Wette für das Spiel abzugeben. Ich habe auf Sieg für die Russen gesetzt, die Amerikaner sind viel zu überbewertet. Nur weil es ihr quasi ihr Nationalsport ist, sollten sie sich nichts darauf einbilden.

Davon abgesehen ist es aber natürlich ein Match der Rivalen. Auch wenn es natürlich nach außen hin anders aussieht, ist es kein Geheimnis das sich die Russen und die Amerikaner nicht besonders leiden können. Schon weit im Vorhinein zu diesem Spiel kam von beiden Seiten viel Propaganda und teilweise auch zu Ausschreitungen unter den Fans. Ich will gar nicht erst wissen, wie es am Ende des Spiels im Stadion stehen wird. Es gibt zwar natürlich Sicherheitskräfte dort, und allein für dieses Spiel wurden über tausend zusätzliche Kräfte zu dem Standard angestellt, aber solche Konflikte enden für irgendwen immer böse.

Die Minuten verstreichen und es steht tatsächlich nicht besonders gut um die Amerikaner. Russland hat es geschafft in Führung zu gehen. Nun bricht die letzte Minuten an... die goldenen sechzig Sekunden. Die Amerikaner brauchen einen Punkt für den Gleichstand, was zur Folge haben würde das das Spiel in die Verlängerung gehen würde.

Dreißig Sekunden noch. Die Amerikaner in Ballbesitz. Tatsächlich schafft es der Mann sich durch die erste Verteidigungslinie zu rammen - anders kann man es einfach nicht nennen - und sprintet auf die angestrebte Linie zu, während seine Teamkameraden sich um die Verteidigungslinie kümmern. Dennoch stehen zwischen ihm und dem Ziel noch feindliche Spieler und die Zeit wird knapp.

Johnson stößt den ersten Russen einfach nur brutal von sich weg, als dieser auf ihn zugerannt kommt. Der Amerikaner gerät ins Straucheln, fängt sich aber wieder und setzt seinen Lauf fort. Nun sind es nur noch zwanzig Yards die ihn von der Ziellinie trennen, aber von hinten holt noch ein Spieler auf. Der Russe ist definitiv schneller und kommt mit jedem Schritt näher. Genau wie er mit jedem Schritt näher kommt, steigt mit jeder Sekunde die Anspannung. So laut es geht feuern die Fans in meiner Kneipe, und auch im Stadion, die beiden Spieler an.

Die letzten Meter und beide setzen nahezu zeitgleich zum Hechtsprung nach vorne an. Wie in Zeitlupe bewegen sich die beiden Männer nach vorne. Dabei ist es nur der Bruchteil einer Sekunde, den der Russe brauch um den Fuß seines Vordermannes zu packen und ihn daran nach hinten zu reißen. Durch diesen harten Zug nach hinten fehlt nur ein kleines Stück, doch der Ball schafft es nicht über die Linie und nur einen Augenblick später wird das Spiel abgepfiffen.

"Mein Gott! So etwas habe ich im Leben noch nicht gesehen! Schamarakov hat Johnson welcher so gut wie im Ziel war noch in der Luft gepackt und nach hinten gerissen! Die Russen gewinnen das Spiel - die Russen gewinnen das Spiel!", schreit der Kommentator des Spiels.

Ich höre gleichermaßen entsetzte Rufe sowie auch freudiges Jubeln in der Kneipe. Es kommt auch nicht all zu oft vor das ich sehe, wie sich ausgewachsene Männer in den Armen liegen, ferner sie nicht gerade ein Paar sind.

Nun gehen auch gleich wieder die Bestellungen los. Entweder wollen die Leute ihre Freude begießen oder aber ihre "Trauer" über das verlorene Spiel ertränken. Sofort geht mir meine Aushilfe zur Hand und verteilt die gefüllten Gläser, während ich sie befülle.

Momentan befinde ich mich in der elften Stunde meiner Schicht und die Bar ist voll. Direkt am Tresen sind alle Barhocker besetzt und die Russen haben gewonnen!

0 Kommentare:

Post a Comment

<< Home